Heft 10

9. Workshop
„Tätigkeitstheorie und
kulturhistorische Schule“

Editorial

In der vorliegenden Ausgabe werden Beiträge veröffentlicht, die größtenteils im Rahmen der „Ohrbecker Tagung 2013“ als Referate vorgestellt wurden.
Neben Arbeiten, die Ergebnisse von Untersuchungen bzw. Forschungsprojekten präsentieren, sind aber auch solche versammelt, die methodologische und theoretische Grundfragen mit Bezug zur Tätigkeitstheorie diskutieren.
Angesichts der wachsenden Zahl an Autoren, die sich im internationalen Maßstab auf den kulturhistorischen Ansatz oder wenigstens auf deren bedeutsamste Vertreter beziehen, scheint es aus unserer Sicht notwendig, stärker darauf hinzuwirken, sich (wieder mehr) methodologischen und theoretischen Grundfragen der kulturhistorischen Schule und des Tätigkeitsansatzes zuzuwenden. Mit der wachsenden Vielfalt an Zugängen, Ansätzen und Interpretationen aus ganz verschiedenen inhaltlichen,
regionalen, z.T. auch mit konkreten sozialen, politischen und ökonomischen Positionen verbundenen, Bereichen, wächst die Gefahr, dass sich die (verbindenden, gemeinsamen) theoretischen Grundlagen verflüchtigen und das theoretische Fundament schwindet bzw. im Einzelnen nicht mehr klar wird, was denn die eine oder andere Untersuchung mit der kultur-historischen Schule oder dem Tätigkeitsansatz konkret zu tun hat. Das aber würde zur Folge haben, dass diese Arbeiten keinen konkreten Beitrag mehr zur Entwicklung der (eben weitgehend verloren gegangenen oder nicht reflektierten) theoretischen Grundlagen leisten könnten.
Gerade im Zusammenhang mit einer wachsenden Flut an empirischen (oft vor allem mehr oder weniger Daten produzierenden) Arbeiten und dem Interesse an der Lösung aktueller, vor allem praktischer Problemstellungen (z.B. Inklusion, Zugang zu Bildung, digitale Medien u.a.) ist die Tendenz verbunden, (empirische) Forschungsmethodik methodologieabstinent, d.h. ohne bewusste Einbettung in einen bzw. ohne Diskussion des Theorierahmens mit dem Ziel einzusetzen, Einzelprobleme zu untersuchen und Konsequenzen abzuleiten, deren Beitrag zur Theorieentwicklung nicht mehr deutlich wird. Mit anderen Worten: Solche Untersuchungen könnten in beliebige Theorierahmen verortet werden. Darunter würde Wissenschaft insgesamt und im Besonderen die kultur-historische Theorieschule leiden. Aus diesem Grund sollen in den Folgetagungen und in den weiteren Ausgaben des Journals methodologisch orientierte Diskurse gezielt gefördert werden.

Margarete Liebrand stellt in ihrem Aufsatz den Zusammenhang zwischen Lernproblemen und entwicklungstheoretischen Auffassungen von Vygotkij und Leont’ev her. Thomas Mies diskutiert das im Rahmen der kultur-historischen Theorie wenig beachtete Problem des Un- oder Unterbewussten in der Kommunikation auf dem Hintergrund einer Wende hin zum Interpersonalen in der Psychoanalyse. Georg Rückriem diskutiert methodologische Grundlagen, die für das Verständnis des Tätigkeitsansatzes bei Leont’ev essenziell sind. Hartmut Giest beleuchtet aus tätigkeitstheoretischer Perspektive unter medientheoretischem Bezug die Problematik einer durch digitale Medien beeinflussten neuen Lernkultur und leitet Konsequenzen für schulisches Lernen ab. Andrea Karsten informiert über eine Bearbeitung der Wikipedia-Einträge zur „Kultur-historischen Schule“ („Kulturhistorische Schule“ und „L.S. Vygotskij“.
Die Autoren laden mit ihren Beiträgen zum Diskurs unter Tätigkeitstheoretikern ein.
Georg Rückriem und Hartmut Giest

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Inhalt

 


 

  • Abstracts 7
  • Margarete Liebrand Lernschwierigkeiten und Sinnkonstruktion 11
  • Thomas Mies Dialog und symbolische Gewalt. Kritik der Bewusstseinsphilosophie und intersubjektive Wende in Gruppenanalyse und Psychoanalyse 39
  • Georg Rückriem „Die realisierte Tätigkeit ist reicher, wahrer als das sie vorwegnehmende Bewusstsein.“ Zum Verständnis der Tätigkeit bei Leont’ev. 75
  • Hartmut Giest Digitale Medien und schulisches Lernen 113
  • Andrea Karsten Überarbeitung von Wikipedia-Einträgen zur kulturhistorischen Schule 153
  • Der Eintrag Kulturhistorische Schule 153
  • Der Eintrag Lew Semjonowitsch Vygotskij 179
  • Autoren 205

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